
Nach meinem berührenden Erlebnis mit Spirit im April 2023 stand ich vor der Herausforderung, eine Reitschule zu finden, in der ich mich wohl und gut aufgehoben fühlen würde. Mit einigen Unsicherheiten, aber auch Spirits Lebensfunke im Herzen, machte ich mich auf die Suche. In diesem Artikel berichte ich, welche Kriterien mir wichtig waren, wie ich die Suche angegangen bin, welche Reitschule ich schließlich ausgewählt habe und von meinen ersten Eindrücken in dieser neuen Welt.
Ihr Lieben,
noch am selben Abend, nachdem der Spaziergang mit Spirit mich ein stückweit zurück ins Leben geholt hatte, setzte ich mich mit kribbeligem Bauch an meinen Computer und begann, nach einer Reitschule zu suchen.
Mir fehlte jedwedes Wissen über den Umfang der verschiedenen Angebote und wusste nicht so recht, wo ich anfangen sollte. Beim Durchforsten der Internetseiten lokaler Reitschulen wurde mir schnell klar, dass ich praktisch bei Null anzufangen hatte. Viele Begriffe sagten mir nichts und so wusste ich auch nicht, welcher Unterricht für mich in Frage kommen würde.
Außerdem fühlte ich mich aufgrund meines queeren Hintergrunds unsicher, mich in der Welt der Reiter*innen bewegen zu können. „Was werden die anderen über mich denken?“ Diese schambehaftete Frage begleitete mich nicht nur an diesem Abend, sondern durchaus noch viele Monate, nachdem ich bereits auf „meinem“ Hof würde angekommen sein.
Was mir bei der Wahl der Reitschule wichtig war
Ich suchte also zweierlei: einen sicheren Raum für mich und eine Reitschule, die mich in meiner Unerfahrenheit mit Pferden würde abholen können. Doch das waren lediglich die „weichen Faktoren“, die mir im Umgang mit den Menschen dort wichtig waren. So groß war meine Sorge vor Ablehnung.
Da mir in dieser Unsicherheit der klare Blick auf Auswahlkriterien fehlte, las ich zahlreiche Artikel12 im Internet, die sich mit der Wahl der richtigen Reitschule befassten. So gewann ich zumindest eine erste Idee davon, was mir eigentlich wichtig war, um die respektvolle und partnerschaftliche Philosophie, die ich im Umgang mit Spirit kennen und schätzen gelernt hatte, in meine Wahl einer Reitschule einfließen zu lassen.
So trug ich folgende Kriterien für mich zusammen:
- Respektvoller, partnerschaftlicher Umgang mit den Pferden
- Ansprechende, pferdegerechte Anlage
- Entfernung / gute Erreichbarkeit mit dem Auto
- Bezahlbare Reitstunden, geeignet für Anfängerinnen wie mich
- Offener und respektvoller Umgang untereinander
- Atmosphäre, die mir einen sicheren Raum vermittelt
- Freie Schulplätze / kurze Wartezeit
Die schwierige Online-Suche nach einer passenden Reitschule
Mit diesen Vorstellungen im Gepäck setzte ich mich an die Tastatur, versuchte es mir leicht zu machen und tippte:
Dankenswerterweise schlägt Google automatisch lokalisierte Ergebnisse vor, so dass ich direkt alle Reitschulen in meiner Umgebung angezeigt bekam – vielleicht ein knappes Dutzend. Wie mir schnell auffiel, legte ich tatsächlich auch einen gewissen Wert auf eine ansprechende Webseite der Reitschule. Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber für mich ist eine gute Webseite wie ein Aushängeschild, das gewisse Rückschlüsse auf die Person oder Organisation dahinter zulässt. Ansprechende Webseiten schaute ich mir länger und detaillierter an als optisch gruselige Textwüsten im Stil der 1990er.
Vollends überzeugen konnte mich schlussendlich keine der örtlichen Reitschulen. Entweder waren die Preise zu hoch, das Niveau für mich als Anfängerin zu hoch oder die angebotene Reitdisziplin entsprach nicht meinen Wünschen. Denn schnell wurde mir klar, dass ich von Dressur, Springreiten und co. nicht viel halte. Mir ging (und geht) es um die Verbindung zum Pferd, gemeinsame Zeit und Erlebnisse – nicht um sportliche Leistungen. Freizeitreiten war also die Disziplin, die eigentlich meinen Wünschen am ehesten entsprach.
Es wurde spät an diesem Abend, aber zu einem Ergebnis war ich nicht gekommen. Etwas resigniert legte ich den Laptop beiseite und fiel irgendwann in einen eher unruhigen Schlaf.
Wie klein die Welt doch ist …
Am darauf folgenden Tag kam ich erneut nicht gut aus dem Bett. Der Lebenshauch, den Spirit mir tags zuvor eingehaucht hatte, drohte langsam wieder zu verfliegen. Irgendwo zwischen Zähneputzen, erstem Kaffee und Frühstück schoss mir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf!
Damals, als ich noch ein Kind war, hatte meine Schwester doch eine Schulfreundin, die sich schon immer für Pferde begeistert hatte. Mit halbem Ohr war es vor einer halben Ewigkeit zu mir durchgedrungen, dass sie sich wohl den Traum von einer eigenen Reitschule verwirklicht hatte. Mehr wusste ich allerdings nicht darüber.
Doch es reichte aus, um mich wieder an den Laptop zu setzen und nach ihr zu suchen. Denn der Umstand, dass ich sie – wenn auch nur flüchtig über meine Schwester – kannte, vermittelte mir etwas Sicherheit, die mir zum damaligen Zeitpunkt immens wichtig war. Allein dieser Umstand schuf einen klitzekleinen Safe Space für mich.
Und so fand ich sie schließlich, die Reitschule Anja Ötting. Zwar lag sie nicht unmittelbar in meinem Einzugsbereich, aber auch nicht ewig weit weg. In 25 Minuten war sie mit dem Auto erreichbar und zauberhaft gelegen in den Ausläufern des bergischen Landes.
Ich zögerte …
Ich erinnere mich noch ziemlich genau, wie lange es nach diesem Fund noch brauchte, bis ich mich endlich traute, nach einer Probestunde zu fragen. Tag für Tag besuchte ich die Webseite, las mir alle verfügbaren Informationen durch, folgte der Reitschule bei Facebook, schaute mir Fotos an und versuchte aus der Ferne so gut es ging die Vibes dieser Reitschule aufzufangen.
Etwas kribbelte wieder in meinem Bauch. Alles fühlte sich richtig an, nur ein Zweifel hinderte mich weiterhin daran, den ersten Schritt zu machen: Anja kannte nur mein „altes Ich“ von vor 30 Jahren oder so. Den kleinen Bruder ihrer Freundin, nicht die Frau, die ich nach dieser langen Reise schließlich geworden war. Obwohl es mir eigentlich egal sein konnte, hatte ich weiterhin Angst vor Ablehnung, seltsamen Blicken oder Kommentaren.
Als ich an einem dieser depressiv verstimmten Tage abermals einen Kaffee aus der Küche holte, fiel mein Blick auf einen Zettel, den ich mir zu Beginn meiner Transition an den Türrahmen gehängt hatte. Er zitierte einen Songtitel von Julia Engelmann, „Grüner wird’s nicht„.
Worauf wartete ich eigentlich?! All die Kriterien, die ich mir selbst gesetzt hatte, waren erfüllt, soweit ich das aus der Ferne beurteilen konnte. Das einzige, was zwischen mir und der unbestritten heilsamen Begegnung mit Pferden stand, war ich selbst. „Grüner wird’s nicht„, las ich leise für mich.
Ein Schritt aus der Komfortzone
Ich atmete tief durch und begann, eine, in Bezug auf meine Sorgen, möglichst neutrale Nachricht an die Reitschule zu schreiben:
Liebes Reitschul-Team,
vor kurzem bin ich eher per Zufall mit Pferden in engeren Kontakt gekommen und habe sofort mein Herz an diese wundervollen Wesen verloren. 🙂
Bislang habe ich so gut wie keine Reiterfahrung, etwas theoretisches Pferdewissen und würde aber gerne schauen, ob mir der Umgang mit Pferden und Reitunterricht Spaß macht und daraus ein dauerhaftes Hobby entstehen könnte.
Daher würde mich interessieren, wie häufig die Reitstunden (Gruppe / Einzel für Erwachsene) bei euch stattfinden, um auch die Kosten ein wenig abschätzen zu können und was es ggf. von meiner Seite sonst noch zu beachten gilt.
Österliche Grüße aus Monheim,
Julia Kalder
Klick. Abgeschickt. Geschafft. Mein Herz pochte, das war zwar nur eine Nachricht gewesen, sie bedeutete für mich aber in diesem Augenblick die Welt.
Ich hatte in meinem Leben das Heft des Handelns in die Hand genommen und einen kleinen Stein ins Rollen gebracht. Es war ein winziger Stein, aber er hatte Dinge in Bewegung gesetzt, die ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht hatte erahnen können.
Nur ein Jahr später würden sich all meine Ängste und Sorgen so lächerlich klein anfühlen, beinahe beschämend. Doch ich bin dankbar für diese Erfahrung und auch ein wenig stolz darauf, diesen Stein angestoßen zu haben.
Denn er hat mein Leben verändert!
Dennoch lag zum damaligen Zeitpunkt eine weitere Herausforderung vor mir:
Mein erster Besuch der Reitschule und eine ganz neue Welt, in die ich bisher noch keine Einblicke gehabt hatte. Eine riesige Chance, neue Dinge zu lernen …
Aber davon möchte ich euch im nächsten Artikel berichten.
Alles Liebe,
eure Julia
Fußnoten:


