Nervöses Pferd

Seit ich im März 2023 mit dem Reiten begonnen habe, hat sich meine Perspektive auf diese wundervollen Tiere stark verändert und ich habe vieles über den respektvollen Umgang mit ihnen gelernt. In diesem Artikel berichte ich euch von meinem ersten Erlebnis mit Pferden, an das ich mich noch erinnern kann, und über meine Liebe zu ihnen. Und von einem Schockmoment, der mich für über 30 Jahre von ihnen fernhalten würde.

Ihr Lieben,

wann war euer „erstes Mal“? Wann habt ihr das erste Mal auf einem Pony oder Pferd sitzen dürfen und wurdet noch völlig unerfahren durch die Gegend gehoppelt? Bei der Vorbereitung dieses Artikels fiel mir auf, dass ich definitiv nicht so früh dran war, wie meine älteste Tochter – sie saß bereits mit etwa 2 1/2 Jahren auf den ersten Ponys, wann immer es welche zu erreichen gab. Und ihr Grinsen auf den Fotos spricht Bände!

In meinem Fall muss ich so um die 9 oder 10 Jahre alt gewesen sein, genau weiß ich das leider nicht mehr. Die familieninterne Fotodokumentation aus zahlreichen Urlaubsreisen gibt keinen präzisen Aufschluss darüber.

Familienurlaub im Dänemark

Familienurlaub in Dänemark ca. 1990

Aber sei’s drum, denn Letztgenannte lieferte mir den Beweis, dass ich bereits während eines Familienurlaubs in Dänemark auf dem Rücken eines schwarzen Ponys durch die flachen Lande getragen wurde.

Spannenderweise kann ich mich an diesen Ausritt gar nicht mehr erinnern und wenn das Foto nicht existieren würde, hätte ich diesen vermeintlich ersten Ausritt an dieser Stelle gänzlich vernachlässigt.

Witzige Randnotiz: Der Ponyausritt in Dänemark würde ich sich gut 30 Jahre später wiederholen, diesmal aber mit meinen beiden Mädels, die etwa in dem Alter waren wie ich damals. Doch von diesem grandiosen Erlebnis möchte ich euch in einem späteren Artikel berichten.

Bitte seht mir nach, dass ich die Fotos nicht weiter kommentiere, da es sich aufgrund meines transidenten Hintergrunds super awkward für mich anfühlt, diese Bilder zu sehen. Ich weiß zwar, dass ich das mal war, aber es fühlt sich wie ein fremder Mensch an, denn meinem Erleben nach saß dort stets ein junges Mädchen auf dem Pferderücken. Aber das sei nur am Rande erwähnt. Lest bei Interesse gerne mehr dazu in meinem Transitions-Blog.

Kommen wir zum eigentlichen „ersten Mal“, an das ich mich noch sehr lebhaft erinnern kann, denn es war hochgradig emotional geladen – zunächst positiv, mit lauter Vorfreude, dann mit purer Angst.

Was war geschehen?

Ein Schockmoment im Allgäu

Lasst es ein oder zwei Jahre nach dem Dänemarkurlaub gewesen sein. Zu dieser Zeit machten meine Eltern, meine Schwester und ich regelmäßig Urlaub im zauberhaften Ort Brunnen in der Nähe von Füssen im Allgäu. Neben den obligatorischen Bergwanderungen auf dem Tegelberg entdeckte ich in diesem Urlaub auch das Reiten für mich.

Ich sparte mein gesamtes Taschengeld und überredete meine Eltern dazu, mich zum nahe gelegenen Reiterhof zu begleiten, auf dem man eine kleine Runde zu 4 DM und eine große Runde zu stattlichen 8 DM erstehen konnte. Da die „kleine Runde“ bereits nach 10–15 Minuten geführtem Schritt um ein kleines Feld herum zu Ende war, wurde es mir nach einigen Malen langweilig.

Der Traum vom „großen Ausritt“ wurde wahr

Familienurlaub im Allgäu, Reitausflug am Forgensee, ca. 1992

Also kratzte ich meine gesamten Ersparnisse zusammen und investierte sie in eine große Runde. Wooow! Das war die Erfüllung meiner Träume in diesem Urlaub. Meine Eltern versuchten mich aufgrund des für damalige Verhältnisse doch relativ hohen Preises davon abzubringen, aber am Ende drückte ich den Hofbesitzern 8 DM in die Hand und durfte auf die große Runde gehen. Satte 30 Minuten auf dem Pferd, durch die schöne Natur entlang des Forgensees, mit einem atemberaubenden Ausblick auf die Alpen.

Doch dieses Mal warteten ein paar Herausforderungen auf mich, die das ganze Unterfangen alles andere als langweilig werden ließen …

Es war ein heißer Sommer und in der Nähe des Forgensees tummelten sich tausende Bremsen. Und sie zeigten keinerlei Mitleid. Sie stachen alles, was sie nicht schnell genug abwehren konnte. Menschen, Pferde, Kühe. Alles. Und so hatten mein armes Pony, mein Vater und ich schwer damit zu tun, nicht völlig zerstochen zu werden.

Eine Begleitung für die große Runde gab es dieses Mal nicht, worüber ich mich im ersten Moment gefreut hatte. Denn meinem Vater und mir wurde das Pferd so weit anvertraut, dass wir schon wieder heile zurückkommen würden. Darauf war ich ganz schön stolz und genoss jede Sekunde im Sattel.

Je näher wir dem See kamen, umso schlimmer wurden die Stiche. Das Pony wedelte mit dem Schweif, ich wedelte mit der Hand, wehrte Bremsen ab und war alles in allem wohl ziemlich nervös und unausgeglichen. Aus heutiger Sicht eine ziemlich gefährliche Mischung im Umgang mit einem Fluchttier.

Und so kam, was kommen musste.

Panische Reiterin, panisches Pony

Das Pony erschreckte sich, ob durch mein Gewedel oder durch einen Stich weiß niemand mehr nachzuvollziehen, scheute und galoppierte los. Mit mir auf dem Rücken, verzweifelt bemüht, nicht von seinem Rücken zu fallen.

Die schiere Panik überkam mich, da ich damals keinen blassen Schimmer hatte, wie man angemessen mit einem Pferd umgeht. Ich kannte einzig und allein die Szenen aus den Western, die mein Vater immer so gerne sah, in denen die Cowboys streng an den Zügeln zogen, um das Pferd zu stoppen.

In einem halbwegs klaren Moment zog ich also so gut ich konnte und nach einem schier endlos wirkenden Moment wurde das Pony langsamer und blieb schließlich halb im Gras, halb auf dem Weg stehen. Mein Vater war panisch hinter uns her gerannt, was uns in einem TikTok-Video heutzutage vermutlich zahlreiche Lacher eingebracht hätte.

Heute tut mir das Pony unheimlich leid. Zwar reite ich aktiv erst seit März 2023, aber dieses Grundwissen reicht schon, um zu verstehen, wie falsch ich damals gehandelt habe. Heftiges am Zügel ziehen, Nervosität ausstrahlen, völlig ungeschult allein auf so eine große Tour gehen. Es hätte noch so viel schiefgehen können, mal ganz davon abgesehen, welchen Stress wir dem Pony zugemutet haben. Huiuiui. Nun, aus heutiger Perspektive ist es eine sehr eindrückliche Lehrstunde gewesen.

Angst vor Pferden

Das Durchgehen des Ponys hatte jedoch auch für mich langfristige Folgen. Unwissend, dass ich offenkundig so einiges falsch gemacht hatte, bekam ich schlicht Angst vor Pferden, weil ich sie für unberechenbar hielt. Warum sonst würde ein Pony wie vom Blitz getroffen losrennen? Wann immer also Pferde in meine Nähe kamen, machte ich einen großen Bogen um sie. Zwar bewunderte ich sie stets, konnte eine subtile Angst vor einer panischen Reaktion ihrerseits jedoch nie so ganz beiseiteschieben.

Heute bin ich etwas schlauer als damals. 🙂 Am Ende brauchte es jedoch fast 30 weitere Jahre und eine schwere Depression, bis ich meinen Weg zurück zu meinen geliebten Pferden finden durfte. Erst durch die Ereignisse im Frühjahr 2023 lernte ich, meine Angst und mein damaliges Fehlverhalten zu verstehen und mich Pferden wieder unbefangen nähern zu können.

Doch das, ihr Lieben, erzähle ich euch im nächsten Artikel. Freut euch auf ganz viel Verbundenheit, etwas Liebe, düstere Gedanken und einen guten Geist, der mir den Weg wies …

In diesem Sinne alles Liebe,
eure Julia